über die höhen, tiefen und das annehmen...

 

 

 Liebes, 

wir blicken nun zurück, auf über 12 Wochen Wandel, Veränderung und Sturm, die uns vermutlich unvergesslich bleiben werden... In mir ist in dieser Zeit so viel passiert, dass ich gerne meine Geschichte mit Dir teilen möchte. Die Geschichte meiner Sicht auf die Welt, meines Widerstandes, meiner Höhen und Tiefen und dem schlussendlichen Annehmen... 

Wenn Du mir schon ein wenig länger folgst, dann weisst Du bereits, dass ich Ende letzten Jahres entschieden habe, meinen Hauptberuf in der Bank für eine Weile Ruhen zu lassen. Zu Beginn des Monats März diesen Jahres startete mein Jahr "Auszeit". Ich brauchte mehr Zeit, für meine Kinder, aber auch für mich... ich wollte mich erholen, ich war erschöpft und müde vom ständigen Funktionieren "müssen" - auch wenn ich jetzt weiss, dass das "müssen" meist von mir selber kam. Ich wollte mich besser kennenlernen, mehr und mehr zu dem Menschen werden, der ich war, bevor ich von allen Seiten geschliffen und verändert wurde. Ich wollte spüren, was ich wirklich wollte, womit ich die Welt beschenken wollte. Was meine Aufgabe war und wie ich diese in die Welt hinaustragen sollte. Und ich wollte endlich Mutter sein, mit all meinen Sinnen und mit meinem ganzen Herzen.  Ich wollte präsent sein, wenn meine Kinder nach Hause kommen, ein offenes Herz und Ohr für Sie haben. Sie sehen, wahrnehmen und Ihnen die Aufmerksamkeit schenken, die Sie beide in meinen Augen brauchten. 

Als ich dann endlich zu Hause war, die Vormittage für mich hatte, wusste ich nichts mit mir anzufangen oder ich dachte zu viel darüber nach, wie ich mein Yoga so ausbauen konnte, dass ich nach dem Jahr nicht mehr "in die Bank zurückkehren müsse" - als ob ich die Entscheidung nicht auch so hätte treffen können. Ohne es zu wollen setzte ich mich erneut unter Druck und als die Kinder nach Hause kamen, war ich physisch anwesend - aber nicht wirklich präsent und aufmerksam. 

Dann kam Corona, mit voller Wucht brach es auf mich ein. Die Situation erwischte mich in einem Zustand tiefster Müdigkeit, Erschöpftheit und innerer Konflikte. Der Sturm nahm mich zunächst mit. Probleme zu Hause mit unserem jüngeren Kind wurden deutlicher, klarer, präsenter, die Kraft und Ruhe fehlte. Ich übte mich im Widerstand, konnte und wollte den Irrsinn einfach nicht zulassen. Ich wachte die ersten Wochen täglich mit einem Impuls auf "dass ich doch etwas tun müsse" - was auch immer dieses "etwas" sein sollte.  Eine große Hilflosigkeit überrollte mich- was würde mit uns geschehen? Müssen wir nun alle geimpft werden? Werde ich "gläsern" und bekomme bald mittels App gesagt, wann ich zu essen habe, was ich einzukaufen habe und wann Kuschelzeit mit Kindern und Mann ist? Ich war wie in Ohnmacht - und ich fühlte mich alleine... die meisten Menschen um mich herum teilten meine Gedanken nicht. Ich fühlte mich unverstanden. Ich zog mich zurück von vielen Freunden, die keinerlei alternative Sichtweise zuließen, weil ich keine Kraft hatte, mich zu erklären oder zu rechtfertigen. Ich fühlte mich "als Mensch abgelehnt" weil ich mir erlaubte in meiner Meinung offen zu bleiben, weil ich versuchte verschiedene Blickwinkel einzunehmen und kritische Fragen zu stellen. Es schien nur noch ein  "dafür" oder "dagegen" zu geben und kein Reflektieren mehr, oder ein in Frage stellen. 

 

Ich war tief traurig, ich weinte und ich litt... mit all den Menschen die Ihre Existenz verloren, die alleine starben oder gebären mussten, die in tiefe Depressionen stürzten. Ich weinte um die Kinder und Frauen die misshandelt wurden und konnte mich gegen diesen Schmerz nicht schützen. 

Corona schien meinen Alltag zu beherrschen... ich fühlte mich wie in einem Alptraum. Es waren meine letzten Gedanken vor dem Schlafen gehen und meine ersten morgens beim Aufwachen... 

Nach wenigen Wochen des Strauchelns, Leidens und Jammerns fasste ich einen Entschluss: Ich würde Selbstverantwortung übernehmen! 

Ich melde mich zu einem Onlinekurs "Rise up and Shine" an, um wieder den Weg zu mir zurückzufinden. Ich begann wöchentlich mit meiner Heilerin zu arbeiten. Ich schaltete mein Telefon so oft wie möglich aus und "zwang" mich, keine Nachrichten mehr zu verfolgen. Ich ging in den Wald, um Frieden zu finden. Lange und tägliche Spaziergänge halfen mir, mich zu erden. Ich begann meinen Tag mit einer positiven Intention, mit den Meditationen und Übungsaufgaben meines Kurses  und anschließenden Meditationen meiner Heilerin. Ich wünschte mir von ganzem Herzen, dass ich heile, in Liebe und Vertrauen leben könne und manifestierte diesen Wunsch jeden Morgen bei meiner Meditation. 

Jeden Tag spürte ich immer mehr, wie die Ruhe zu mir zurückkam - und mit Ihr meine Kraft, mein Vertrauen und meine innere Weisheit. Nach vier Wochen Corona endete mein Onlinekurs, aus dem ich für mich viel Halt für den Alltag gewonnen hatte und so fügte ich meinen Ritualen morgentliches Kundalini-Yoga hinzu, dass ich Online absolvierte. 

Ich spürte, dass ich nicht mehr auf alles "reagieren musste". Ich spürte, dass ich Abstand gewonnen hatte, zu den Ereignissen im Außen. Ich nahm wahr, dass ich die Menschen um mich herum annehmen konnte, mit all  ihren Meinungen, Ängsten und Ansichten. Dass ich Sie weder beurteilen noch verurteilen musste - und dass ich besser damit zurechtkam, wenn Sie mir gegenüber nicht die gleiche Offenheit zeigen konnten.  Ich hörte auf zu leiden und tauchte ein ins Mitfühlen. Ich begriff... 

... dass in dieser besonderen Zeit jeder "seine eigenen Themen" nach oben geschwämmt bekommen hatte, um an Ihnen zu arbeiten und Sie anzunehmen. Zu lange haben wir weggeschaut und Sie unterdrückt. Kein Wunder hatte ich zu  Beginn diesen Impuls "etwas zu tun"- schliesslich war das mein lebenslanges Muster gewesen,. anstelle inne zu halten und nachzuspüren!  

... dass jedes Land seine eigenen Themen bekommen hatte - vom Rassismus bis hin zum Gehorsam 

... dass es Zeit wurde mich darauf zu besinnen, was wirklich wichtig ist - und von was ich mich lösen sollte 

... dass weniger oft mehr ist. Dass ich (und vermutlich nicht nur ich)  viel zu oft mein Ego bedient habe ohne es überhaupt zu merken. Ich schaute mir meinen Yoga-Stundenplan an oder das Yoga-Programm für den YogaDay. Brauchte es das wirklich? In dieser Bandbreite und Mannstärke, in Egelsbach? Ich stellte viele Dinge auf den Prüfstand und lernte, über mich und mein Verhalten eine Menge...  

 

Seitdem stellte mich der Alltag immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Rahmenbedingungen wechselten ständig und ich lernte mich an nichts "zu klammern". Meine Morgenroutinen anzupassen, weil die Kinder zeitweise wieder in die Schule gingen. Von Onlinekursen auf Outdoor-Kurse zu wechseln und den Menschen Zeit zu lassen. Ich saß vor leeren Matten und empfand tiefe Traurigkeit, weil noch so viele Menschen in ihrer Angst feststeckten und akzeptierte, dass jeder in seiner eigenen Zeit und auf seine eigene Art und Weise durch diese Krise gehen musste. 

Ich fand endlich Frieden - und mit dem Frieden auch eine tiefe Fülle. Ich begann mehr und mehr wahrzunehmen was mir alles geschenkt wurde und was für ein Geschenk mein Leben ist. Dass nichts festgeschrieben ist - sondern es durch die Kraft meiner Gedanken und meiner Intention gewandelt werden kann. Also habe ich mich entschieden so gut ich kann diesen Frieden in mir, die positive Macht der Gedanken und die Liebe und Fülle die ich spüre in all meine Kurse und in mein Umfeld zu tragen. Ich habe mir vorgenommen  die Schwingung hoch zu halten, um den Menschen um mich herum ein wenig Halt zu schenken, eine haltende Hand für all jene zu sein, die Stabilität suchen und brauchen. Echt, ehrlich und aufrichtig zu sein - nicht nur anderen, sondern vor allem mir gegenüber!  

Vielleicht fragst Du Dich gerade warum ich all diese Zeilen schreibe....

... damit Du siehst, dass alles seine Zeit braucht, dass der Weg zu mehr innerem Gleichgewicht und Frieden ein Prozess ist, der Höhen und Tiefen mit sich bringt, der Dich manchmal zweifeln lässt... und Dich am Ende doch immer wieder auf Dich zurückwirft. Dass Du hinschaust und nachspürst, wo es noch Themen und alten Schmerz in Dir gibt, den es gilt anzunehmen und zu heilen. Dass Du loslässt, vor allem alte Vorwürfe- weil Sie Dich in der Vergangenheit festhalten und von Deinem Wachstum im Hier und jetzt zurückhalten.  Dass Du liebevoller mit Dir bist und Dir verzeihst, weil Fehler dazu da sind, damit Du aus ihnen lernst und wächst. Und damit Du Dir Zeit nimmst, Deine Erwartungen reduzierst, einen Schritt nach dem anderen gehst, ohne gleich das Ziel zu kennen - und Du Dir vertraust, immer und immer wieder, dieser inneren Stimme in Dir, die gehört werden möchte und die den für Dich richtigen und stimmigen Weg kennt! Es mag nicht der Weg der anderen sein - aber es ist Dein Weg und das ist auch gut so!  Und auf diesem neuen Weg begegnest Du auf einmal Menschen, die Dich verstehen, so wie Du bist, die Dich annehmen, denen Du Dich nicht erklären musst...schlichtweg, weil Du angefangen hast, Dich selbst besser zu verstehen und anzunehmen, so wie Du bist!  

Niemand kann den Weg der Heilung und Selbstliebe für Dich gehen - Du musst es alleine machen... aber Du kannst Dich mit Menschen umgeben, die Dich inspirieren und Ihr Strahlen mit Dir teilen. Fühle, dass Du  auf diesem Weg nicht alleine bist. Wir gehen ihn alle zusammen - wenn auch jeder in seinem eigenen Tempo :-) 

Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast ein Stück Deines Weges mit mir zu gehen. SAT NAM mein Yoga-Herz, ich freue mich auf unsere nächste Begegnung. 

Deine Andrea 

25. Juni 2020